Müssen leitende Angestellte für Überstunden entschädigt werden?

Neben den Bestimmungen des Obligationenrechts zur Überstundenarbeit (Art. 321c OR) enthalten das Arbeitsgesetz und die dazu gehörenden Verordnungen detaillierte Vorgaben zu den Arbeits- und Ruhezeiten und der Entschädigung von Überzeit. Für Startups und KMU stellen sich bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben diverse Fragen.

Wer ist zur Erfassung der Arbeitszeit verpflichtet?

Jede Arbeitgeberin in der Schweiz muss die Arbeitszeiten ihrer Angestellten erfassen und den zuständigen Behörden auf Anfrage Einsicht in die Unterlagen gewähren. Unabhängig von vertraglichen Arbeitszeitbestimmungen sind für jeden Arbeitnehmer die täglichen und wöchentlichen Arbeits- und Ruhezeiten zu dokumentieren. Neben Beginn und Ende der Arbeitstage müssen auch die Pausen erfasst werden.

Die Arbeitszeiterfassung kann zwar an den jeweiligen Arbeitnehmer delegiert werden. Aber die Arbeitgeberin hat den Angestellten die entsprechenden Tools zur Verfügung zu stellen und ist letztlich dafür verantwortlich, dass die erfassten Daten korrekt und vollständig sind. Wenn die Vorgaben nicht eingehalten werden, riskiert das Unternehmen behördliche Massnahmen und, dass Arbeitnehmende nachträglich Entschädigungsansprüche für selbst dokumentierte Überzeit geltend machen können.

Welche Ausnahmen gelten für Angestellte in leitenden Positionen?

Ausgenommen von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung sind Arbeitnehmer, die eine höhere leitende Tätigkeit oder eine wissenschaftliche oder selbständige künstlerische Tätigkeit ausüben (Art. 3 lit. d ArG).

Was aber versteht man unter einer “höheren leitenden Tätigkeit”? Allgemein kann gesagt werden, dass die gesetzliche Ausnahmeregelung eher enger gefasst ist als gemeinhin angenommen.

Eine höhere leitende Tätigkeit übt aus, wer über weitreichende Entscheidungsbefugnisse verfügt und die Struktur und den Geschäftsgang eines Unternehmens nachhaltig beeinflusst.

Dazu gehören beispielsweise Verwaltungsratsmitglieder oder teilhabende Geschäftsführer. Ob jemand als höherer leitender Angestellter gilt, hängt aber letztlich immer von den konkreten Umständen ab. Die Höhe des Einkommens, die Zeichnungsberechtigung für das Unternehmen oder die Tatsache, dass jemand ein grosses Team leitet, reichen für sich alleine nicht aus, um die genannten Kriterien zu erfüllen.

Für Angestellte, die keine höhere leitende Tätigkeit ausüben, kommt ein Verzicht oder eine Erleichterung der Arbeitszeiterfassung nur unter bestimmten Voraussetzungen in Betracht:

Für Angestellte mit einem Jahresbruttolohn von mindestens CHF 120’000, die ihre Arbeitszeit mehrheitlich selbst bestimmen können, kann im Rahmen eines Gesamtarbeitsvertrags auf die Arbeitszeiterfassung verzichtet werden.

Von vereinfachter Arbeitszeiterfassung spricht man, wenn nur die geleisteten täglichen Arbeitszeiten (ohne Anfang-, Schluss-, und Ruhezeiten) erfasst werden. Diese kann mit Angestellten vereinbart werden, die mindestens einen Viertel ihrer Arbeitszeit frei festsetzen können. In Betrieben mit weniger als 50 Arbeitnehmenden kann die Vereinbarung individuell getroffen werden, bei grösseren Unternehmen braucht es eine Vereinbarung mit der Arbeitnehmervertretung oder der Mehrheit der Arbeitnehmenden im Betrieb.

Wie müssen zusätzlich geleistete Arbeitsstunden entschädigt werden?

Zu unterscheiden sind Überstunden und Überzeit. Überstunden sind über die vertragliche Arbeitszeit geleisteten Stunden. Überzeit ist die über die gesetzliche Höchstarbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit.

Die Kompensation von Überstunden kann vertraglich ausgeschlossen werden, was bei leitenden Angestellten regelmässig der Fall ist. Sagt der Arbeitsvertrag hingegen nichts dazu, sind die geleisteten Überstunden samt einem Lohnzuschlag von 25% zu entschädigen.

Überzeit liegt vor, wenn die im Arbeitsgesetz festgelegte Höchstarbeitszeit überschritten wird. Je nach Tätigkeit oder Betrieb gilt eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 45 oder 50 Stunden. Alles was darüber hinaus geleistet wird, ist entweder durch Freizeit zu kompensieren oder mit einem Lohnzuschlag von 25% zu entschädigen. Abgesehen von wenigen Ausnahmen besteht hier kein Raum für abweichende vertragliche Regelungen.

Das heisst, Überzeitarbeit von Angestellten, die nicht eine höhere leitende Tätigkeit ausüben, muss zwingend kompensiert oder entschädigt werden und Arbeitnehmende können darauf während des Arbeitsverhältnisses nicht gültig verzichten.


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