Welche Rechte haben Aktionäre mit einer substanziellen Minderheitsbeteiligung an einer Schweizer AG?

Eine Aktiengesellschaft kann durch eine oder mehrere Personen gegründet werden. Bei der Gründung von Startups sind die Mehrheitsverhältnisse oft knapp: eine 51%-Mehrheit kann einer 49%-Minderheit gegenüberstehen.

Eine auch nur geringe Differenz bei der Kapitaleinzahlung wirkt sich aber massgeblich auf die rechtliche Kontrolle des Unternehmens aus.

Organisation der Aktiengesellschaft

Das oberste Organ der AG ist die Generalversammlung. Alle Aktionäre sind berechtigt, an der Generalversammlung teilzunehmen und entsprechend ihrem Stimmrecht abzustimmen. Die Generalversammlung setzt die Statuten fest und ändert diese nach Bedarf. Sie genehmigt die Jahresrechnung und beschliesst über die Gewinnverwendung. Die Aktionäre wählen ausserdem die Mitglieder des Verwaltungsrats und gegebenenfalls eine Revisionsstelle.

Der Verwaltungsrat ist das Exekutivorgan der Gesellschaft und besteht aus einem oder mehreren Mitgliedern, die zugleich Aktionäre sein können. Er ist für die Geschäftsführung zuständig, soweit diese nicht auf einen oder mehrere Geschäftsführer übertragen wird, und beruft die Generalversammlung ein.

Aktionäre, die mindestens 10% des Aktienkapitals vertreten oder über eine Beteiligung im Nennwert von mindestens CHF 1 Mio. verfügen, können ebenfalls eine Generalversammlung einberufen oder die Traktandenliste ergänzen.

Mehrheitsprinzip als Grundsatz

Die Generalversammlung beschliesst und wählt grundsätzlich mit der absoluten Mehrheit der vertretenen Stimmen. Im Normalfall üben die Aktionäre ihre Stimmrechte gemäss ihrer Beteiligungsquote am Aktienkapital aus. Ausnahmen können durch Stimmrechtsaktien vorgesehen werden. In diesem Fall werden Aktien mit unterschiedlichem Nennwert ausgegeben, wobei auf jede Aktie eine Stimme entfällt.

Das Gesetz sieht einige Ausnahmen vor, für die eine Zweidrittelmehrheit zwingend erforderlich ist. Ein qualifiziertes Mehr wird beispielsweise für die Zweckänderung, eine Sitzverlegung oder die Auflösung der Gesellschaft benötigt. Für Beschlüsse über eine bedingte oder genehmigte Kapitalerhöhung bzw. für die Einführung eines Kapitalbands nach revidiertem Aktienrecht, braucht es ebenfalls ein qualifiziertes Mehr.

Für die Wahl und Abwahl von Verwaltungsratsmitgliedern, für eine ordentliche Kapitalerhöhung oder die Ausschüttung von Dividenden reicht hingegen eine einfache Mehrheit.

Auch der Verwaltungsrat trifft seine Entscheide nach dem Mehrheitsprinzip, sofern er aus mehreren Mitgliedern besteht. Sehen die Statuten nichts anderes vor, haben Minderheitsaktionäre keinen Anspruch auf einen Sitz im Verwaltungsrat.

Eine Beteiligung von 51% reicht demnach aus, um die Aktiengesellschaft sowohl in der Generalversammlung als auch auf der Geschäftsführungsebene weitestgehend zu kontrollieren und wesentliche Entscheide für das Unternehmen zu treffen.

Welchen Schutz geniessen Minderheitsaktionäre?

Jeder Aktionär hat ein unentziehbares Recht auf Gewinnstrebigkeit der Aktiengesellschaft sowie den Anspruch im Verhältnis seiner Kapitalbeteiligung am Unternehmensgewinn zu partizipieren. Ausserdem schützt das Gesetz Minderheitsaktionäre vor der Verwässerung ihrer Anteile. Bei der Ausgabe neuer Aktien ist jeder Aktionär berechtigt, im Verhältnis seiner bisherigen Beteiligung neue Aktien zu zeichnen (Bezugsrecht).

Das Bezugsrecht darf nur aus wichtigen Gründen aufgehoben oder einschränkt werden. Ein wichtiger Grund liegt beispielsweise vor, wenn die Erhöhung des Kapitals im Rahmen einer Unternehmensübernahme oder für die Beteiligung von Mitarbeitenden erfolgt. Der Entzug oder die Einschränkung von Bezugsrechten bedarf ausserdem der Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit der Aktionäre.

Das Bezugsrecht räumt jedoch nur das Recht ein, neue Aktien zum vorgegebenen Preis zu zeichnen. Nicht vor einer Verwässerung geschützt sind Minderheitsaktionäre hingegen dann, wenn sie bei einer Kapitalerhöhung nicht mitziehen können, oder den festgelegten Ausgabepreis nicht bezahlen wollen.

Neben der finanziellen Beteiligung haben sämtliche Aktionäre gewisse Informations- und Prüfungsrechte. Das Gleichbehandlungsgebot schützt sie ausserdem davor, dass sie im Zuge der Durchsetzung von Mehrheitsinteressen in ungerechtfertigter Weise benachteiligt werden.

Verletzt ein Mehrheitsbeschluss die Rechte von Minderheitsaktionären, kann ein solcher von jedem einzelnen Aktionär gerichtlich angefochten werden. Gegen Verwaltungsräte, die ihre Pflichten verletzen – indem sie beispielsweise Geschäfte tätigen, die zwar vom Mehrheitsaktionär gewollt aber nicht im Interesse aller Aktionäre sind – können Minderheitsaktionäre zudem mittels Verantwortlichkeitsklage vorgehen und Schadenersatzansprüche geltend machen.

Neben den erwähnten gesetzlichen Schutzrechten ist es ausserdem üblich, dass sich Aktionäre mit substanziellen Minderheitsbeteiligungen im Rahmen eines Aktionärbindungsvertrags gewisse weitere Rechte ausbedingen.

Dabei kann es sich um zusätzliche Informations- und Mitbestimmungsrechte oder um zusätzliche vermögensrechtliche Ansprüche handeln (mehr dazu: Was Gründer über den Aktionärbindungsvertrag wissen müssen).


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